GMS-Standpunkt: Weihnachtslieder und Religiöse Freiheit

Im Dezember 2016 verweigerte ein muslimischer Vater seinen Kindern die Teilnahme an einer Singprobe von Weihnachtsliedern in einer Kirche. Dafür wurde er mit einem Strafbefehl gebüsst, gegen den er sich vor der nächsthöheren Instanz, dem Bezirksgericht, ohne Erfolg zur Wehr setzte.

Im Januar dieses Jahres machte eine Meldung die Runde durch die Medien, dass ein muslimischer Vater gebüsst worden sei, weil er nicht wollte, dass seine Kinder vor Weihnachten in einer Kirche Weihnachtslieder singen müssen.

Ein vom Vater der drei Kinder im Alter von 5 bis 8 Jahren zuvor eingereichtes Dispensgesuch war von der offenbar einigermassen unsensiblen Schulbehörde abgelehnt worden.

Das Bezirksgericht Dietikon, welches vom Vater angerufen worden war, hielt an einer Busse von Fr. 500.- fest. Da der Vater den Weiterzug ankündigte, ist das Verfahren derzeit hängig.

Die Nachricht wurde zwar von den Medien recht breit aufgenommen und referiert, die Kommentare hielten sich aber „bedeckt“.

Die ganze Angelegenheit wirft ganz grundsätzliche Fragen auf, weshalb sie – trotz hängigem Verfahren – an dieser Stelle aufgenommen werden sollen.

Hier wurden Kinder verpflichtet, gegen den Willen ihrer Eltern in einem offenbar religiösen Kontext in der Kirche religiöse Lieder zu singen. Ist das mit der Glaubens- und Gewissensfreiheit vereinbar? Es wird, wenn vielleicht auch nur indirekt, verlangt, ein Bekenntnis abzulegen, das einzufordern nicht zulässig ist. Auch wenn das Christentum in unserem Land die Religion ist, welcher die Mehrheit unserer Bürgerinnen und Bürger angehören, heisst das noch lange nicht, dass Angehörige der Minderheitsreligionen – noch dazu per Strafbefehl – dazu gezwungen werden können, Weihnachts- oder Kirchenlieder in einem religiösen Kontext vorzusingen.

Religion soll durchaus ein Thema in der Schule sein. Im Kanton Zürich z.B. will das Fach „Religion und Kultur“ Kenntnisse verschiedener Religionen als Teil der Kultur vermitteln. Dies gehört zur Allgemeinbildung und fördert das Verständnis für die heutige Welt. Die Weltanschauungen und Einstellungen von Eltern und Kindern müssen dabei aber respektiert werden. Religiöse Handlungen sind in der Schule deshalb nicht zulässig. Die religiöse Erziehung der Kinder muss in der Verantwortung der Eltern bleiben. Diese bewährten Grundsätze scheinen
hier nicht befolgt worden zu sein.

Die Teilnahmepflicht ist deshalb absolut unverständlich, nicht akzeptabel und nicht hinzunehmen. Während die Diskussion über den „Schwimmunterricht“ allenfalls mit den in unserem Land (noch) üblichen Gepflogenheiten diskussionswürdig sein kann, ist es das Singen von (Kirchen-) Liedern in einer Kirche keinesfalls. Soweit und solange Angehörige von Minderheitsreligionen sich aus eigenen Stücken an diesem Unterrichtsteil beteiligen mögen, sei ihnen das unbenommen. Sobald aber ein Kind von Angehörigen einer Minderheitsreligion bzw. deren gesetzliche Vertreter diese Teilnahme verweigern, ist dieses Kind vom Unterricht in der Kirche zu dispensieren. Alles andere widerspricht der von der Bundesverfassung garantierten Religionsfreiheit. Gleiches gilt natürlich auch für Kinder aus Familien die – aus welchen Gründen auch immer – der Kirche nicht oder nicht mehr angehören. Sich also nicht einer christlichen Denomination zugehörig fühlen. Man mag das bedauern, aber die Freiheit der Wahl (oder eben auch „Nichtwahl“) der Religion ist ein hohes Gut, dass es unbedingt zu wahren
gilt.

Ob der Entscheid des Bezirksgerichts formaljuristisch korrekt gewesen ist, wie der betreffende Richter festhielt, hat das Obergericht zu entscheiden. Staatspolitisch ist er aber in jedem Fall fragwürdig. Die Religionsfreiheit, wie sie die Bundesverfassung garantiert, verbietet, jemanden zu religiösen Handlungen oder Bekenntnissen zu zwingen. Jeglicher diesbezügliche Zwang ist ganz grundsätzlich abzulehnen.


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