https://www.youtube.com/watch?v=FET45iCH6vE
Die sogenannte. Burkaverbots-Initiative wurde im März 2016 vom «Egerkinger Komitee» lanciert, welches bereits die Minarett-Initiative ins Leben gerufen hatte. Das Ziel der Initiative ist es, die Gesichtsverhüllung aus religiösen Gründen an öffentlich zugänglichen Orten (ausser in Sakralstätten) zu verbieten. Ausserdem bezweckt das Volksbegehren ein landesweites Vermummungsverbot an Demonstrationen. Der Bundesrat lehnt die Initiative ab und erarbeitete einen indirekten Gegenvorschlag vor, welcher den Behörden ermöglicht jede Person zur Enthüllung des Gesichtes zu zwingen, sollte dies aus Identifikationsgründen notwendig sein.
4 Gründe warum GRA und GMS gegen ein Verhüllungsverbot auf Verfassungsebene sind
Falsches Sicherheitsversprechen
Für das Initiativkomitee repräsentiert die Vollverschleierung den radikalen Islam. Die Initianten setzen damit ein unpolitisches Kleidungsstück mit Terrorismus gleich. Doch ein Verbot des Gesichtsschleiers verhindert weder Radikalisierung noch Terrorismus. Erstens leben einige wenige vollverschleierte Frauen in der Schweiz (viel öfter handelt es sich um Touristinnen aus Golfstaaten). Zweitens geht von diesen wenigen Frauen keine nachweisliche Gefahr für die Gesellschaft aus. Bislang ist kein einziger terroristischer Anschlag in Europa von einer Burka-Trägerin verübt worden. Das beweist, dass mit dieser Initiative reine Symbolpolitik zu Lasten der muslimischen Bevölkerung betrieben wird und bewusst Stereotypisierung und Vorurteile gefördert werden.
Der indirekte Gegenvorschlag des Bundesrates ermächtigt Kantone und Behörden dazu, bei Personenkontrollen die Enthüllung des Gesichtes zu fordern, sollte dies zu Identifizierungszwecken notwendig sein. Dieser Gegenvorschlag tritt automatisch in Kraft, sollte die Initiative abgelehnt werden.
Beschneidung der Religionsfreiheit
Ein Verhüllungsverbot wäre ein massiver Eingriff in die Religionsfreiheit, eine zentrale Errungenschaft jeder Demokratie, welche in der Schweiz durch Artikel 15 der Bundesverfassung gewährleistet wird.
Die Religionsfreiheit ist ein Grundrecht und kann nur unter bestimmten Bedingungen eingeschränkt werden. Grundlage für so eine Einschränkung wäre beispielsweise, wenn eine religiöse Praxis die Grundrechte Dritter verletzt. Bei der muslimischen Gesichtsverschleierung ist dies nicht der Fall.
Keine Kleidervorschriften auf Verfassungsebene
Nur weil eine bestimmte Lebensweise nicht der Norm entspricht und für die Mehrheitsgesellschaft nicht nachvollziehbar ist, sollte diese nicht per Gesetz verboten werden. Im Gegenteil; in einer Demokratie wie der Schweiz stehen Kleidervorschriften auf Verfassungsebene im krassen Gegensatz zu unseren pluralistischen und liberalen Werten und führt zur Spaltung der Gesellschaft.
Falschverstandener Feminismus
Das Initiativkomitee ist der Ansicht, dass die muslimische Gesichtsverhüllung eine den Frauen aufgezwungene Praxis ist. Ein Verbot auf Verfassungsebene würde diesen Frauen Freiheit bringen. Zu denken, dass mit dieser Initiative muslimische Frauen «gerettet» werden können, ist jedoch paternalistisch, rassistisch und sexistisch. Mit dieser Denkweise spricht man allen muslimischen Frauen die Fähigkeit ab, selbstbestimmt Entscheidungen zu treffen und nährt die stereotypische Darstellung der unterwürfigen und unterdrückten Muslima. Wahrer Feminismus zeichnet sich aber dadurch aus, dass jede Frau selbstbestimmt entscheiden kann, wie sie sich kleidet – ob freizügig oder verhüllt.
Durch den Tatbestand der Nötigung (Art. 181 Strafgesetzbuch) ist es bereits heute strafrechtlich verboten, jemanden zur Verhüllung des eigenen Gesichts zu zwingen.
Ein in der Verfassung verankertes Verhüllungsverbot widerspricht den liberalen Werten der Schweiz, beschneidet die Religionsfreiheit und untergräbt die Selbstbestimmung der Frau. Mit falschen Sicherheitsversprechen wird bewusst Stimmung gegen eine religiöse Minderheit gemacht und Stereotypen werden gefördert. Aus diesen Gründen empfehlen GRA und GMS ein «Nein» zur Verhüllungsverbotsinitiative am 7. März.
Weiterführende Links:
- Parlamentarisches “Nein”-Komittee: www.nein-zu-kleidervorschriften.ch
- Operation Libero: www.operation-libero.ch
- FDP gegen Verhüllungsverbot in der Verfassung: www.fdp.ch/kampagnen/burka-initiative-nein
Standpunkt der GMS zum Burkaverbot
Fischhof-Preis prämiert zwei Politiker:innen und eine Aktivistin
Bei der diesjährigen Verleihung des Fischhof-Preises wurden erstmals drei Persönlichkeiten gleichzeitig für ihren Einsatz gegen Rassismus und Antisemitismus ausgezeichnet. Die Preisträger:innen sind alt SP-Nationalrat Angelo Barrile, Mitte-Ständerätin Marianne Binder-Keller und Theologin Nicola Neider Ammann. Im Gespräch mit Moderator David Karasek reflektierten sie über ihre Arbeit, ihre Motivation sowie ihre Sorgen und Ängste – doch auch über ihre Hoffnungen, die trotz aller Herausforderungen spürbar waren.
Alt Bundesrat Moritz Leuenberger sprach ebenfalls mit David Karasek und fragte selbstkritisch: «Bin ich vielleicht selbst antisemitisch, ohne es zu merken?» Er machte darauf aufmerksam, wie tief Rassismus und Antisemitismus in der Gesellschaft verankert sind und wie selten diese Mechanismen hinterfragt werden. Bewegende Laudationen von SP-Nationalrätin Priska Seiler Graf, alt SIG-Präsident Herbert Winter und alt Grünen-Nationalrätin Cécile Bühlmann würdigten die Leistungen der Preisträger:innen eindrücklich.
Der Fischhof-Preis setzt auch 2024 ein starkes Zeichen gegen Diskriminierungen aller Art und bietet ein Gegennarrativ zu den Stimmen, die behaupten, das «Böse» sei unaufhaltsam. Die GRA Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus und die GMS Gesellschaft Minderheiten in der Schweiz vergeben den Fischhof-Preis, um denjenigen Personen eine Bühne zu geben, die sich für Gerechtigkeit, Demokratie und Inklusion einsetzen.
Eine fotografische Rückschau finden Sie hier.
Foto: Alain Picard